Die EUCON – Europäisches Institut für Conflict Management e.V. begrüßt die Initiative des Bundesministeriums der Justiz, das deutsche Schiedsverfahrensrecht einer Modernisierung zu unterziehen. Eine Modernisierung dient nicht nur dazu, Deutschland als Schiedsstandort zu stärken, sondern als Justizstandort insgesamt.

Das deutsche Schiedsverfahrensrecht hat sich nach Wahrnehmung der EUCON, wie in dem Eckpunktepapier dargelegt „ganz überwiegend bewährt“. Gleichwohl empfiehlt sich eine punktuelle Überarbeitung.

Die EUCON ist als Think Tank für Konfliktlösung und insbesondere Anbieter von Güte- und Mediationsverfahren sehr an effizienten und effektiven Streitbeilegungsmechanismen interessiert. Daher regen wir an, Elemente in das deutsche Schiedsverfahrensrecht aufzunehmen, die die zügige Beilegung von Schiedsverfahren fördern. Die Schiedsregeln führender Schiedsinstitutionen zeigen hierzu bereits geeignete Mittel auf, beispielsweise die zwingende Durchführung einer Verfahrenskonferenz in einem frühen Stadium des Schiedsverfahrens, um den weiteren Verfahrenskalender und die individuellen Bedürfnisse der Parteien abzustimmen.

Zudem ist unserer Erfahrung nach ein harmonisches Zusammenspiel der unterschiedlichen Streitbeilegungsmechanismen zwingend erforderlich, um eine effiziente Streitbeilegung und insbesondere das Vertrauen der Parteien in diese zu fördern. Die EUCON regt an, Regelungen zu erwägen, die den Schutz der Vertraulichkeit einer Mediation in einem anschließenden Schiedsverfahren gewährleisten. Insbesondere könnte für Schiedsverfahren klargestellt werden, dass Inhalte die spezifisch für ein Mediationsverfahren erstellt und kommuniziert wurden, nur bei allseitiger Zustimmung der Parteien in ein sich anschließendes Schiedsverfahren eingebracht werden können (vgl. z.B. entsprechend § 14 (2) und (4) EUCON-Mediationsordnung).

Zu den Eckpunkten der Reform im Einzelnen:

  • Die EUCON ist skeptisch, im Wirtschaftsverkehr den Abschluss formfreier Schiedsvereinbarungen zu ermöglichen, insbesondere mündliche Absprachen. Die bisherigen Anforderungen sichern den Beweiswert über den Abschluss einer Schiedsvereinbarung.
  • Eine Regelung zur Bestellung von Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern in Mehrparteienkonstellationen einschließlich der Regelung von Ersatzbestellungen erscheint begrüßenswert. Um die Gleichberechtigung der Parteien sicher zu stellen, empfiehlt sich, Ersatzbestellungen für alle Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter vorzusehen und nicht nur der Seite, die eine Mehrheit von Beteiligten aufweist.
  • Eine Regelung zur Durchführung von mündlichen Verhandlungen im Wege von Videokonferenzen erscheint sinnvoll, allerdings sollten auch hybride Konstellationen mit bedacht werden.
  • Eine Veröffentlichung von Schiedssprüchen bei Zustimmung der Parteien begrüßt die EUCON sowohl im Hinblick auf die Transparenz als auch die Rechtsfortbildung.
  • Die EUCON begrüßt die Möglichkeit, in Verfahren nach dem 10. Buch der ZPO Schiedssprüche und andere wesentliche Schriftstücke aus dem Schiedsverfahren in englischer Sprache vorlegen zu können, wobei die Durchgängigkeit im gesamten Instanzenzug gewährleistet sein muss.
  • Die EUCON begrüßt die Überlegungen zu den Commercial Courts.
  • Die Einführung eines außerordentlichen Rechtsbehelfs zur Beseitigung von bestandskräftigen inländischen Schiedssprüchen erscheint nicht sinnvoll. Weitere Rechtsbehelfe schaden einer zügigen, endgültigen Befriedung.
  • Die Konzentration der Zuständigkeit der Oberlandesgerichte für Verfahren nach dem 10. Buch der ZPO erscheint attraktiv, um die Kompetenzen für Schiedssachen zu bündeln.

Das Ziel des BMJ, den Schiedsstandort Deutschland zu stärken, ist begrüßenswert. Die EUCON regt in diesem Zusammenhang an, über die wenigen punktuellen Änderungen des 10. Buches der ZPO hinauszugehen. Der Schiedsstandort wird im internationalen Wettbewerb nicht dadurch gestärkt, die Regelungen zum Schiedsverfahren denen anderer Länder anzupassen oder strikt an den Regelungen des UNCITRAL Model-Law angelehnt zu bleiben, sondern vielmehr dadurch, ein eigenständiges modernes Regelwerk für Schiedsverfahren anzubieten („Ansatz der grünen Wiese“). Einzigartig wäre beispielsweise eine integrierte Zivilkonfliktlösungsordnung („ZKLO“), in Anlehnung an den von Dr. Felix Steffek bei der Online-Konferenz des BMJV zur Stärkung der Mediation am 28. Mai 2021 gemachten Vorschlag.

Die „große Lösung“ hätte zahlreiche Vorteile:

  1. Umfassende Regelung aller Streitbeilegungsverfahren unter Drittbeteiligung in einer Verfahrensordnung, von den Entscheidungsverfahren (z.B. staatliches Gerichtsverfahren, Schiedsverfahren, Adjudikation, Schiedsgutachten) über Verfahrenskombinationen (z.B. MedArb, Mediation Window in Schiedsverfahren, Güterichterverfahren, Schlichtungsverfahren, ENE [Early Neutral Evaluation]) bis hin zu Einigungsverfahren (z.B. Mediation, Mini-Trial, Kollaborative Praxis).
  2. Möglichkeit der Vorschaltung einer Verfahrenswahlkonferenz zur Auswahl des für den spezifischen Konflikt interessengerechtesten Konfliktbeilegungsverfahrens
  3. USP (Unique Selling Point) für Konfliktbeilegung in Deutschland oder aufgrund eines deutschen Regelwerks

Modernisierung des deutschen Schiedsverfahrensrechts